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Leibniz Universität arbeitet ihre Rolle während der NS-Zeit auf

Leibniz Universität arbeitet ihre Rolle während der NS-Zeit auf Leibniz Universität Hannover

Namensergänzung für Franzius-Institut

Die Leibniz Universität Hannover arbeitet die Rolle ihrer Vorgängerinstitution in der Zeit des Nationalsozialismus derzeit umfassend auf. Eine Arbeitsgruppe des Senates, die sich seit fast zwei Jahren mit dem Thema befasst, hat erste Ergebnisse zu Verleihung und Entzug akademischer Titel während der NS-Zeit an der damaligen Technischen Hochschule Hannover vorgelegt. Themen sind die von 1933 bis 1945 an der Technischen Hochschule erfolgten Beeinträchtigungen aus ideologischen Gründen, das heißt über die auf der NS-Ideologie politischer, „rassischer“ oder sonstiger Diskriminierung beruhenden Beeinträchtigungen akademischer Stellungen, Grade und Ehrungen. Aus diesem Anlass laden das Präsidium und der Senat der Leibniz Universität zu einer Veranstaltung im Gedenken an die Betroffenen und ihre Angehörigen am 20. November 2013 ein. Im Rahmen der Veranstaltung wird unter anderem die Senatsarbeitsgruppe ihre Ergebnisse vorstellen.

Die Leibniz Universität möchte das dunkelste Kapitel ihrer Geschichte in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft möglichst umfassend aufklären – auch in tiefem Bedauern darüber, dass für die unmittelbar Betroffenen inzwischen jede Maßnahme der Rehabilitation zu spät kommt, aber in der Hoffnung, dass ihrem bleibenden persönlichen Ansehen in den Augen der Hochschulöffentlichkeit wie allgemein der Nachwelt Genugtuung verschafft werden kann.

Im Zuge der Aufarbeitung hat sich die Arbeitsgruppe unter anderem auch mit dem Namensgeber des Franzius-Instituts, Otto Franzius, befasst. Der ehemalige Rektor der Technischen Hochschule Hannover ist durch seine Haltung in der NS-Zeit stark belastet und missachtete insbesondere hochschulspezifisch die Wissenschaftsfreiheit, die diese absichernde Selbstverwaltung sowie die Grundlagen der überkommenen humanistisch-akademischen Universitäts-Tradition. Aus diesem Grund hat das bisherige Franzius-Institut für Wasserbau und Küsteningenieurwesen einen Namenszusatz zur Schärfung seines Profils erhalten und heißt jetzt „Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen“. Mit dem Zusatz bezieht sich das Franzius-Institut maßgeblich auf die norddeutsche Wasserbauerdynastie Franzius anstatt auf Otto Franzius alleine. So gelten die Brüder Ludwig (1832-1903) und Georg Franzius (1842-1914) als Pioniere des auf Ästuare bezogenen Wasserbauwesens im 19. Jahrhundert und bereiteten den Weg für den kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufstieg der Hansestädte Bremen und Hamburg als weltweit agierende Seehafenstandorte an bedeutenden Seeschifffahrtsstraßen. Das darüber hinaus gehende verbindende Element der Brüder Franzius mit Hannover beruht zudem darin, dass beide am Polytechnikum bzw. an der Technischen Universität Hannover Wasserbau studiert haben.

Die Ästuar-Forschung ist heute einer der wesentlichen Schwerpunkte in Forschung und Lehre des Institutsleiters und Dekans der Fakultät für Bauingenieurwesen und Geodäsie, Prof. Dr.-Ing. Torsten Schlurmann: „Die Arbeit der Kommission ist wichtig, und die Erkenntnisse sind vor allem im historischen Kontext des Instituts besonders wertvoll. Ich begrüße sehr, dass wir die Aufklärungsarbeit begonnen und mit dem Namenszusatz einen Weg gefunden haben, den Fokus der Institutsarbeit von der stark belasteten Person Otto Franzius abzuwenden, dessen – wie wir jetzt wissen – hochschulamtliches und –politisches Verhalten erhebliche NS-Verstrickungen aufweist. Daher distanzieren wir uns unmissverständlich von Otto Franzius, bewahren in Verweis auf die Wasserbaudynastie aber trotzdem den international bekannten Namen unseres Institutes.“

Als Ästuare werden trichterförmig geformte Flussmündungen unter dem Einfluss der Gezeitenströme (Flut und Ebbe) definiert. Forschungsschwerpunkte im Ästuaringenieurwesen stellen das Prozessverständnis und die Folgewirkungen der an der Deutschen Küste anthropogen überprägten Ästuare in den Vordergrund. Dies beinhaltet beispielsweise die Erfassung und Bewertung der Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt und Hafeninfrastrukturen, die Prozesse, den Transport und die Bilanzen von Feststoffen und Salzgehalten sowie neuerdings in Kooperation mit den Naturwissenschaften die Bewertung von Struktur und Funktion von Küstenökosystemen und deren Dienstleistungen.

Otto Franzius (1877-1936), bisheriger Haupt-Namensgeber des Instituts und Neffe von Ludwig Franzius, wurde 1913 Professor an der damaligen Technischen Hochschule Hannover und gründete das „Institut für Wasserbau und Grundbau“. Die 1916 gegründete Hannoversche Versuchsanstalt für Grundbau und Wasserbau trägt seit 1936 die zusätzliche Bezeichnung Franzius-Institut der damaligen Technischen Hochschule Hannover und gilt national und international als eine feste Adresse für wissenschaftliche Aufgabenstellungen im Wasserbau mit maritimer Prägung. Der Ingenieur, Otto Franzius, war von 1933 bis 1934 Rektor der Hochschule und unbestritten ein bedeutender Wissenschaftler, ist aber durch seine politische Haltung und der offenbar gewordenen Gesinnung für die Leibniz Universität Hannover nicht tragbar. Er war als Rektor an der Umgestaltung der Technischen Hochschule im nationalsozialistischen Sinne und auch an der Entfernung politisch missliebiger Personen aktiv beteiligt.

 

Quelle: Leibniz - Universität Hannover

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